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Ein Interview mit Ikeda Riyoko


Freitag, den 5. Juni 2015

 
Das erste Interview mit Riyoko Ikeda im Rahmen des "NipPop" Festivals begann früh am Nachmittag in der „Marco Biagi“ Halle in Santo Stefano Strasse 119 in Bologna.
 
Ganz einfach und direkt stellte sich Riyoko Ikeda ihrem Publikum vor: "Hallo, ich bin Riyoko Ikeda, die Autorin von Lady Oscar".
 
Daran gab es auch Francesca Scotti (Schriftstellerin), Rebecca Suter (Professorin für moderne japanische Literatur) und Paola Scrolavezza (Professor für japanische Literatur).

Francesca Scotti (F.S.):
Eine Hauptfigur in dem Manga "Lady Oscar" war sicher Marie Antoinette, die letzte Königin von Frankreich und ich weiß, dass gerade die Biographie von Stefan Zweig, "Ein Leben unfreiwillig heroischen" Ihres Werk inspirierte. Zweig beginnt sein Buch mit folgenden Worten: "Marie Antoinette war eine normale Frau, weder schrecklich noch wunderbar, aber eine Frau, die in einer Rolle, die verhängt wurde bauen mussten." Sie [Riyoko Ikeda] war sehr jung, als sie beschloss, die Geschichte dieser Frau, derer Weiblichkeit sehr kompliziert war. Wie hat es geschafft, dass Sie bereits in jenem Alter auf die Rolle der Frau schon bewusst waren?

Riyoko Ikeda (R.I.):
In Wirklichkeit halte ich Marie Antoinette für keine besonders starke Figur. Oft haben die Lesern dieses Gefühl, ich bin hingegen der Meinung, dass sie nur infolge der Ereignisse der Französischen Revolution zu einer starken Frau wurde. Bis dahin war sie nur ein einfacher Mensch, der sich durch die Ereignisse seines Lebens überwältigt ließ.
Vielleicht würde sich jemand aufregen, wenn ich dieses Wort benutze, Marie Antoinette war aber meiner Meinung nach eine sehr weibliche, sehr menschliche Figur. Sie war daran gezwungen, den König von Frankreich zu heiraten und selbst die Königin zu werden, sie hatte aber noch die folgenden Verantwortung nicht anerkannt. Jeden Tag darf sie tun, was sie möchte, und von diesem Punkt dürfen wir sie gerade für eine einfache Figur halten.

Die Mutter von Marie Antoinette, Maria Teresa von Österreich war eine tüchtige Königin, die eine Nation allein regieren und riesige Schwierigkeiten überwinden konnte. Marie Antoinette zog erst später, während der Französischen Revolution, die Starke, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, vor.
Schon als ich die Hochschule besuchte, fand ich diese Veränderung als besonders spannend und interessant.

Rebecca Suter (R.S.):
Ist es wahr, dass die Protagonistin des Manga "Die Rose von Versailles" nach der erstem Konzept Marie Antoinette wäre und dass die Hauptrolle nur später wegen der Bevorzugung der Leser Oscar gehörte? Und was ist Ihre Beziehung zu Ihrem Publikum?

R.I.: Wissen Sie, was das Fernsehpublikum ist? Danach werden jede Woche alle in Japan veröffentlichte Manga-Magazine in einer Rangfolge, jeden nach dem Anderen versammelt.
Daher kann es geschehen, dass ein Werk, das ursprünglich für eine lange Serialisierung gedacht wurde, plötzlich ausgelöscht wird, wenn es den erwarteten Erfolg nicht trifft.

Durch die Serialisierung des Manga "Die Rosen von Versailles" nahm die Oscar-Popularität unter den Lesern stark zu, so dass das Verlag mich daran warnte, dass ich den Manga in 10 Wochen beenden sollte, in falle dass Oscar am Ende sterben sollte.
Zu dieser Zeit war mein Plan, mehrere historische Figuren und Ereignissen der französischen Revolution zu beschreiben, trotzdem wurde ich also daran gezwungen alles zusammenzufassen. Die ursprüngliche Idee war, die Serie mit dem Vortritt von Napoléon zu schließen und ich bereue noch heute, dass ich diese Möglichkeit nicht hatte.

Deshalb widmete ich mich an die Entwicklung neuer Episoden auf Thema "Die Rosen von Versailles". Ich versuche, ganz neue Geschichten zu schreiben, doch habe ich noch die Lust, die Ereignisse nach jenem berühmten 14. Juli zu erzählen. Dort wird natürlich Oscar nicht vorhanden sein, deshalb bin ich nicht ganz überzeugt, ob ich es wagen darf. In diesen neueren Episoden habe ich auch Themen, an die ich früher nie dachte, behandelt, wie zB die Liebesgeschichte der Eltern von Oscar.

Was die Beziehung mit meinen Lesern betrifft, lasse ich mich nie, als Autorin, von ihren Antragen zu beeinflussen. Ich glaube, meine Aufgabe ist es, meine Erzählung, nach der ursprünglichen Idee fortzusetzen.

Paola Scrolavezza (P.S.):
Wie haben Sie sich entscheiden, eine Manga-Künstlerin zu werden?

R.I.:
Als Kind war las ich die Manga vieler berühmten Autoren Osamu Tesuka und Asao Takamori. Talentierte Mangaka, die Geschichten mit Frauen als Hauptfiguren zeichneten.

In der Zeit, in der ich die Mittel/Hochschule besuchte, wurden die ersten Werke von Mangaka Frauen herausgegeben, ich merkte, dass sie ein besondere, zarte Innenwelt erstellen konnten.
Da wurde mir klar, dass es möglich war, diese Welt durch einen Manga zu schaffen.
Damals war die Manga in Japan nicht fur Kulturwerke gehalten, vor allem wenn sie von Frauen gezeichnet wurden.
Heute wurden die Manga als die wichtigsten Veranstalter der japanischen Kultur im Ausland, doch fur die über 70en, das heißt unsere Politiker, Geschäftsmänner ist der Manga noch heute ein unbedeutende Genre. Vor einigen Jahren sag man zum Beispiel, dass ein Politiker nicht seine gewünschten Erfolg treffen konnte, weil er in seiner Freizeit Manga las. Erst vor kurzem begann die japanische Regierung, die Manga zu unterstützen, aber nur, weil sie verstehen, dass sie wirtschaftliche Erträge bringen würden.

Ich erinnere mich an einen anderen Vorfall, der vor einigen Jahren hier in Italien geschah. Ich wurde zu einem Literaturfestival "Kollision" eingeladen, und ich war sehr darüber überrascht, dass sie mich zu einem Literaturfestival und nicht zu einer Comics Messe einladen möchten. Sie antworteten mich, dass die "Rosen von Versailles" obwohl nur ein Manga, viele Schriftsteller, Autoren, Drehbuchautoren heute so wie in der Vergangenheit beeinflusst. Ich war sehr überrascht, aber auch sehr glücklich, nicht in Japan, sondern in Italien hat mein Werk mir ein solches, tiefes Gefühl gebracht.
Zu dieser Zeit war der japanische Botschafter in Italien einer meiner liebsten Freunde und nachdem er seine Amtszeit hier in Italien erhielt, schickte er mir eine SMS-Nachricht:: "Weißt du, dass du in Italien sehr bekannt bist?".
Da die Popularität einer Mangaka in Japan so begrenzt ist , wurde ich früher in Italien geschätzt, später in Frankreich und endlich in Japan geschätzt: dies ist eine wahre Geschichte!

F.S.: Was ist die Beziehung zwischen Ihnen und Ihren Figuren und wie viel Platz nehmen sie in ihrem Leben, da sie einen so großen Erfolg hatten?

R.I.: Unter den Charakteren, die ich schuf, befindet sich keiner, der meinen ganzen Charakter darstellt, sie zeigen nur einzige Aspekte meines Selbst. Sie wurden natürlich auch von dem Epoche beeinflusst, in dem ich einen bestimmten Manga zeichnete.
Ich konnte zum Beispiel eine so imposante und lebendige Figur wie Oscar nur dadurch schaffen, da damals den Frauen mit 22-23 Jahren gesagt wurde, dass sie heiraten und eine Familie haben müssen, ich war hingegen der Meinung, dass sie ihre eigene Arbeit, ihre eigenen Meinungen und Erfahrungen besitzen und ihr eigenes Leben mit Kraft leben konnten.
Alle wissen, dass "Die Rosen von Versailles" ein Shojo Manga ist, desto war es für junge Mädchen gedacht, doch wurde sie auch von vielen erwachsenen Frauen gelesen. Dies liegt daran, dass in jener vorigen Gesellschaft die Frauen den Männer unterwürfig und deswegen sehr traurig und durch ihr Alltag frustriert waren. Und natürlich gab es noch etwas, das sie alle besitzen möchten und das war...André [lacht].

Noch heute, vierzig Jahre später, hat sich die Stellung der Frauen in Japan nicht viel geändert, doch sind die Möglichkeit, unseren Andrè zu finden, ein bisschen hoher. Ich habe auch meinen André gefunden [lacht und zeigt den Bariton Yoshitaka Murata, ihren Ehemann].

Ich habe eine gute Freundin, eine Mangaka, und ich möchte euch diese ernste Geschichte erzählen, sie heißt Machiko Satonaka, in der Jugend litt sie an Krebs und eines Tages sagte sie mir am Telefon, dass die Figuren in ihrem Werke sich nicht von der Krankheit besiegen lassen, desto wurde sie auch ihren Kampf gewinnen. Es geschieht öfters, dass ein Autor sich von ihren Figuren fordern lasst. Ich selbst sollte in meinem Leben mehrere schwierige Momente überwinden und immer daran dachte ich an Oscar, die vor den Schwierigkeiten nie aufgab; dadurch bekam ich sofort Kraft.
Desto bin ich davon überzeugt, dass die Beziehung zwischen dem Autor und ihren Figuren wirklich bemerkenswert ist.

R.S.: Sie sind nicht nur eine Mangaka, sondern auch eine Sängerin und Schriftstellerin. Unter ihren Essays wurde einer mit dem Titel: "Die Träume, die du nie vergessen: wie man das Leben als Vierzigjährig fuhren soll" herausgegeben und da ich heuer 39 Jahre alt würde, mochte ich darüber etwas mehr zu

R.I.: In der Tat denke ich, dass du schon ein erfülltes Leben führst, deswegen brauchst du keine Ratschläge [lacht]!

Ich möchte aber etwas hinzufügen: eine meiner Freundinnen, eine Gynäkologin, sagte mir einmal, dass die Frauen in ihrem Leben immer mehr von den Hormonen beeinflusst werden.
Wie allgemein bekannt ist, erfahrt der weibliche Körper die erste Transformation mit dem Beginn des Menstruationszyklus. Das ist die Zeit, in der viele Mädchen wahrnehmen, dass sie von dem Mann verschieden sind. Die Liebe und die Geburt eines Kindes sind sowieso grundlegende Veränderungen.

Wenn eine Frau 40 Jahre alt wird, nehmen ihre Hormonen allmählich ab. Anfangs dachte ich, dass alle diese Veränderungen für Frauen ein Unglück waren. Aber später begann ich darüber nachzudenken, dass gerade all diese Transformationen im Vergleich zu den Männern ein Vorteil sind. Seit meinem 40 Geburtstag habe ich selbst diese Veränderungen in meinem Körper erfahren und dies führte mich zu einer neue Wahrnehmung von mir selbst, ich fing ich an, an was was ich getan hatte und was ich noch tun wollte, zu denken. Dies ist ein Segen, denn ein Japaner nur nach dem Ruhestand zu diesem Bewusstsein kommt.

Diese Veränderungen sind sehr dramatisch, hart und schwer; unter meinen Bekannten gibt es einige, die in Depression gingen oder sogar Selbstmord begangen, aber diese Veränderungen sind auch Möglichkeiten, ihr eigenes zukünftiges Leben zu gestalten. Es wurde deswegen uns Frauen eine größere Chance gegeben, an unser Leben und an unsere Zukunft zu denken.

F.S.: Wie ist Ihre Meinung im Allgemeinen und in Ihrem Werk?

R.I.: Die Demokratie ist die Grundlage für jede Form der Freiheit. Meine Idee ist, dass die Zensur nie gebraucht sollte. Die Tatsache, dass ein
Werk gut oder schlecht ist, dass die Kinder es lesen dürfen, oder nicht, sollte eine persönliche Entscheidung sein!
Wir alle haben hart gekämpft, um die Presse- und Meinungsfreiheit zu erhalten und das ist eine unantastbare Wert!

Ich hatte nicht die Möglichkeit, die italienische Version der Anime Serie "Lady Oscar" zu sehen, mir wurde aber gesagt, dass die Szene des Geschlechtsverkehrs zwischen André und Oscar vielmals zensiert wurde. [das Publikum antwortet: "Ja!"] In einem Land wie Italien ist eine solche Zensur wirklich ein Wunder!

Amerika gilt als ein freies Land, aber die Zensur ist sehr streng. Wenn zum Beispiel "Astroboy" von Osamu Tezuka auf dem amerikanischen Literaturmarkt kam, sollten alle Szene mit nackten Figuren erlöscht werden. Tezuka war aber so froh, dass sein Werk in Amerika herausgegeben wurde, dass er stimmte, einige Details zu verändern.

Die Zensur und die Meinungsfreiheit sind ein Problem, das immer ernster wird.
In Amerika ist es noch schwierig, über den Sex, die Probleme der Jugend, die schwachen Sozialsitten, die Droge zu reden, es gibt eine Art Repression gegen den freien Ausdruck. Es bedeutet aber, dass dadurch die besten Resultaten in der Kunstarbeiten erhalten kann. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: in Japan, wenn eine Frau zu einer prominenten Stelle einer Firma befördert wird, wird sie mit Argwohn von den anderen männlichen Beschäftigen angesehen, deswegen werden die japanischen Frauen wirklich stark!

P.S.: Welche Schwierigkeiten hatten Sie in Ihrer Karriere in der Mangaka-Welt, wo es eine männlichen Dominanz für lange Zeit gab?

R.I.:
Man muss sofort sagen, dass eine Frau damals weniger als ein Mann verdiente, auch wenn ihre Manga Serien den gleichen Erfolg hatten.
Eines Tages fragte ich meinen Redakteur danach, und seine Antwort(Ich erinnere mich noch gut daran) war: „Endlich werden alle Frauen heiraten und lassen sich von den Männern instand halten , die Männer sollen ihre Frauen halten, deswegen sollen sie in doppeltes Gehalt bekommen“.

Damals möchte ich einen Kredit bei einer Bank bekommen, um ein Haus zu bauen, und ich war auf drei Faktoren verweigert: Ich war eine Frau, ich war nicht verheiratet und würde als Manga-Zeichnerin arbeiten!
Dann, als ich endlich mit meinen Ersparnissen ein Haus bauen konnte, kam ich zu stark Repressalien von unbekannten Männern, die mir mit Vorwürfen sagen: "Sie sind eine Frau und möchten sich ein so riesiges Haus bauen“. Schon in der Jugend verstand ich die Schwierigkeiten, eine Frau und doch eine Mangaka zu sein!!!
Zum Beispiel, als ich zu einem TV_Show eingeladen wurde, wurde ich beschuldigt, unmoralische Werke zu zeichnen, die nicht von Kindern gelesen sollten: ich werde noch wütend, wenn ich mich daran erinnere.

R.S.: Wie ist das Verhältnis zwischen ihrer Leidenschaft für die Oper und die Manga?

R.I.: Ich hatte eigentlich schon als Kind eine musikalische Ausbildung unternehmen, noch bevor ich eine Mangaka wurde, damals war ich davon überzeugt, dass mein ganzes Leben damit verbunden würde. Aber später nahm ich einen anderen Weg.
 
Als Vierzigjährige, in einer Zeit großer Veränderungen, begann ich an die Musik wieder zu denken, und fragte mich, ob ich etwas Wichtiges vernachlässigte und deswegen beschloss ich, das Konservatorium zu besuchen, um das Singen zu lernen, obwohl ich mir die Schwierigkeiten vorstellte, die ich meines Alters wegen treffen würde. Mir wurde auch langsam klar, dass ich für die Oper besonders talentiert war.

Ich glaube, das so etwas auch den Filmemachern geschieht,
wenn sie an einem Storyboard fur einen neuen Film arbeiten. Wenn ich an eine Oper in meinem Kopf denke, sehe ich eine Reihe von Bildern darüber, wie ich sie inszenieren würde . Ich gab meinen Beitrag zu vielen Aufführungen, leider denken oft die Sänger nicht an das gesamte Bild, das den Zuschauern geben wird. Zum Beispiel fragen mich oft die anderen Sänger, warum sie in einer besonderen Szene in einer bestimmten Position neben zum Beispiel einem Mobil bleiben sollten, ich antworte, dass dieses das Bild ist, das ich im Kopf habe und den Zuschauern geben möchte. Ich glaube, das es ein gutes Beispiel der Verbindung zwischen Manga und Opern ist.

Das Interview endete mit der Danksagung der Organisation, die Riyoko Ikeda einen Blumenstrauß verschenkte.

 

 

 
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